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Söderblomer Laienspieler bestechen mit Uraufführung von Giogio Siantis' Rockoper „Romeo und Julia“

Erstellt von Rolf Kapries am in Kategorie: Laienspiel

William Shakespeares 1597 veröffentlichtes Drama „Romeo und Julia“ gilt auch Jugendlichen nicht als verstaubte Liebesschnulze. Der Laienspielkursus des Söderblom-Gymnasiums versuchte sich an der Uraufführung einer Bearbeitung als Rockoper von Giorgio Siantis und stellt das Resultat am Donnerstagabend in einer beachtenswerten Premiere im Neuen Theater vor.

Wenn Schüler auf dem Endspurt zum Abitur den Mut und die Ausdauer haben, auch noch an einer umfangreichen Theaterproduktion mitzuarbeiten, dann verdient schon das allein großes Lob. Wenn dann aber – wie im vorliegenden Fall – auch noch eine gut durchdachte, vorbildlich ausgestattete und ganz passabel gesungene und gespielte Aufführung mit einer Reihe ergreifender Höhepunkte herauskommt, dürfen sich alle Beteiligten freuen, auch das Publikum und besonders der Teil, dessen Angehörige oder Freunde zu den Mitwirkenden gehört. Man kann deshalb das tun, was man bei einem Jubiläum – das Söderblom wird 60 – eigentlich will: jubeln.

Wie immer gibt es ein paar Knackpunkte. So büßt der Text in der hervorragenden Übersetzung Thomas Brasch’s häufig an Verständlichkeit ein, weil entweder im Verlass auf die Mikrofone nicht angemessen gesprochen wird, oder die Musik im Verhältnis zu Sprache und Gesang streckenweise einfach zu laut ist. Vielleicht liegt das an Siantis Komposition oder „Il Maestro“ Henrik Langelahn müsste seine Musiker in ihrem Spieleifer etwas dämpfen. Nicht jeder verfügt über eine tonsichere und präsente Stimme wie Jan-Frederic Borgmann (Bruder Lorenzo), Katharina Borgmann (Julia, Abendbesetzung) und Moritz Hoffmeyer (Romeo, Abendbesetzung), von denen ergreifende Szenen in Erinnerung bleiben.

Nicht jeder versteht es, so scheinbar leichthin und doch mit starker Bühnenpräsenz zu agieren wie Emil Schlegnitz als Mercutio oder Laureen Wollter als geschwätzig Amme Julias. Aber schließlich sind keine Profis am Werk, sondern „nur“ recht gute und engagierte Laien.

Zu den dramaturgisch kniffeligen Teilen in Shakespeares Drama gehören die fünfte, die „Balkon-Szene“ im dritten Akt und die Sterbeszene am Schluss des fünften Aktes. Sie gehören damit ein wenig zu den Messpunkten für die Qualität einer Inszenierung, denn hier kippt die Stimmung schnell ins Unglaubwürdige, weil entweder zuviel Kitsch im Spiel ist oder zu spröde gespielt wurde.

Regisseurin Bärbel Brandt gelingt die Gratwanderung mit Hilfe der Schauspielkunst Borgmanns und Hoffmeyers, am Schluss auch durch die des Komponisten, der mit Eintreffen der Wachen und des Volkes von Verona harte Rhythmen erklingen lässt. Der war aber auch davor für das angenehm musiziert Geigensolo Laura Klingels verantwortlich. „Ein bisschen Gefühl darf doch dasein“, kommentierte dazu eine Zuschauerin. „S woar halt a schöne Leich“, sagt der Bayer.

Den Virtuosen an der Nähmaschine unter der Leitung Annemarie Zellers gebührt ein dickes Lob für die fantasievollen Kostüme, von denen viele echte „Hingucker“ waren. Die Kulisse Veronas mit sprudelndem Brunnen ist eine Meisterleistung der Bühnenbildner unter der Leitung Lukas Riechmanns. Tolle Musiker vereinte Hendrik Langelahn zu einer gut funktionierenden Band, und die Technik sorgte für eindrucksvolle Lichtstimmungen und einen insgesamt recht ausgewogenen und mit nur gelegentliche Spitzen von 95 Dezibel (auf menschliches Hörvermögen reduziert) nicht zu lauten Ton. Das gesamte Ensemble hat Anerkennung für sein atmosphärisch dichtes Spiel verdient.

Im Foyer gibt es dann noch ein 50-seitiges Programmheft, das ausführliche Informationen zum Stück und zur Inszenierung gibt und mit zahlreichen Szenenfotos einen hohen Erinnerungswert hat.

Dieser Augen- und Ohrenschmaus kann im Neuen Theater Espelkamp noch heute ab 20 Uhr und am Sonntag ab 18 Uhr angesehen werden.

© 2013 Neue Westfälische, Samstag 02. Februar 2013