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Sally Perel beeindruckte Schüler wie schon bei vielen Besuchen zuvor

Erstellt von Elisabeth Müller-Prunsche am in Kategorie: Kultur

Auf der Bühne der Söderblom-Aula befindet sich nur ein einfacher Tisch, mit einem Glas und einer Wasserflasche darauf. Hinter dem Tisch hat ein sichtlich alter Mann Platz genommen, klein, mit leicht gebeugter Haltung, aber hellwachem Blick. Und als er zu sprechen beginnt, mit fester Stimme, in "altem" Deutsch und doch sehr lebendig im Ausdruck, zieht er die jugendlichen Zuhörer - die Jahrgänge 9 des Söderblom-Gymnasiums und 10 der Realschule - sofort in seinen Bann.

Sally Perel ist 90 Jahre alt und dürfte damit einer der wenigen noch lebenden jüdischen Zeitzeugen des Holocaust sein. Sein Schicksal hat er in der Autobiografie "Ich war Hitlerjunge Salomon" dokumentiert, die auch verfilmt wurde. Er war schon des Öfteren in Espelkamp zu Gast. Doch immer wieder gelingt es ihm, neue Generationen von Heranwachsenden mit eindringlichen Worten über das Schicksal der Juden in der NS-Zeit aufzuklären und sie zu "Mit-Wissern" zu machen.

Denn das ist sein erklärtes Ziel: als Zeitzeuge das am eigenen Leib erlebte Grauen der NS-Zeit weiterzugeben und alle Versuche, den Holocaust oder Auschwitz zu leugnen, im Keim zu ersticken. "Wenn ich nur einen Jugendlichen davon abbringe, sich rechtem Gedankengut oder den Neonazis anzuschließen, so haben sich meine Lesungen schon gelohnt." Dafür reist er seit über 40 Jahren jedes Jahr durch Deutschland und tritt vornehmlich in Schulen auf.

Mit bewegenden Worten schildert Sally Perel, wie er sich von seinen Eltern verabschiedete, die er nie wiedersehen sollte. "Vergiss nie, dass du Jude bist", habe sein Vater, ein strenggläubiger Rabbiner, zu ihm gesagt. Seine Mutter hingegen hatte nur drei Worte für den Sohn: "Du sollst leben!" Das habe ihm in den kommenden Jahren den Mut und die Kraft gegeben, in einer von der NS-Ideologie durchdrungenen Umgebung instinktiv zu überleben. Nach dem Beginn des deutschen Vernichtungskrieges gegen die Sowjetunion 1941 fällt Sally der deutschen Wehrmacht in die Hände. Ihn rettet, dass er sich als Volksdeutscher ausgibt. Der 16-Jährige kommt in ein NS-Internat und wird als Hitlerjunge Josef beziehungsweise Jupp die nächsten vier Jahre dort verbringen und überleben. Diese Erfahrung, als Jude in einem NS-Internat tagtäglich von zutiefst überzeugten Hitler-Anhängern umgeben zu sein und jeder Zeit mit der Entdeckung rechnen zu müssen, hat Sally Perel zutiefst geprägt.

Seine Familie ist ermordet worden, wie ein Großteil der Juden Europas, er hat durch die Verleugnung seiner Herkunft überlebt. Doch diese Lüge sei erlaubt, so Sally Perel, wenn sie zum Überleben notwendig sei: "Es gibt nichts, was das Opfer eines Menschenlebens rechtfertigt." Das ist auch seine Botschaft für die Jugendlichen: nicht zuzulassen, dass irgendwo Menschen aus religiösen, rassischen oder politischen Gründen diskriminiert, gedemütigt, getötet werden.

Nach gut anderthalb Stunden beendet Sally Perel seinen eindringlichen Vortrag mit dem Appell an seine Zuhörer, "niemals das Vergessen zuzulassen". Nur darum gehe es: für die Zukunft zu lernen. Eine Schülerin habe ihn einmal voller Betroffenheit gefragt, ob er ihr verzeihen könne. "Ich kann nicht verzeihen", habe er geantwortet, denn es gebe nichts zu verzeihen, die heutige Jugend trage keine Schuld: "Schuld ist nicht erblich." Aber Verantwortung - dafür, dass sich so etwas wie der Holocaust nicht wiederhole.

Es ist ganz still geblieben in der Aula, offensichtlich hat der Vortrag die Schüler in Bann gezogen. Viele äußern sich tief beeindruckt. Es bleibt zu hoffen, dass diese Eindrücke noch lange nachwirken - besser als auf solche Weise kann Geschichte nicht vermittelt werden.

© 2015 Neue Westfälische, Donnerstag 21. Mai 2015