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Laienspieler des Söderblom-Gymnasiums führen erfolgreich "Andorra" auf

am in Kategorie: Laienspiel

Die Erleichterung war den Laienspielern anzumerken, als Samstagabend nach anderthalbjähriger Probenzeit die Premiere von Max Frischs "Andorra" glatt über die Bühne gegangen war. In der Aula des Söderblom-Gymnasiums konnten sie den Beifall des Publikums genießen, während die Spannung langsam von ihnen abfiel.

Max Frisch verwendet nur scheinbar eine einfache Sprache. Ungewohnte Ausdrücke des Schweizers erschweren das Verständnis. Zahlreiche Wiederholungen und das ängstliche "Drum-herum-Reden" aller Beteiligten ist für Laien schwer mit Sinn zu füllen. Den Schülern ist dies weitgehend gelungen. Textverständlich sprachen sie alle, keine Spur von "Aufsagen von Auswendiggelerntem". Jeder kannte seine Rolle und lebte in ihr. Man hatte den Eindruck, dass hier eine Gemeinschaft gewachsen ist, in der jeder Verantwortung für das Gesamte trägt und daran nach besten Kräften mitwirkt.

Wie immer lassen sich Einzelleistungen differenzieren. Wichtiger aber ist der gute Gesamteindruck, der es leicht macht, den Besuch einer der weiteren Vorstellungen zu empfehlen. Sehr souverän waren Eyleen Töws als Barblin und Tim Bergtold als Lehrer, stark und brutal wirkte Daniel Schröder als Soldat, lebensnah Lena Schumacher als Wirtin und Leon Holstein als Tischlergeselle. In der Hauptrolle aber brillierte Gökberk Akcay mit einer feinen Mischung aus mäßigender Distanz und kultivierter Leidenschaft, immer angenehm und verständlich in der Sprache, immer sensibel in der Wahl seiner Ausdrucksmöglichkeiten.

Erschreckend war die Nähe der "Judenschau", die geringe Entfernung zum Publikum, die Lautsprecher- und Megafondurchsagen, und die patrouillierenden Soldaten mit ihren Waffen erzeugten selbst im Publikum Angst.

Frischs "andorranischer Jude" ebenso wie "die Schwarzen von Gegenüber" sind dabei Metaphern, die weit über ihren Wortsinn hinausgehen und mit dem Realen Zwergenstaat und seinen Nachbarn nichts zu tun haben. Es sind Masken, die ängstliche Menschen den anderen aufsetzen, um sie auszugrenzen. Dabei ist die genauere Unterscheidung der einzelnen Phobien unwichtig: Es können Ängste vor Fremden, Schwulen, Andersgläubigen, behinderten Menschen, Asozialen, Kriminellen, Geisteskranken und so weiter genauso kaschiert wie geschürt werden.

So zeichnet Frisch eine Parabel von Angst und Hass. Als Außenseiter wird niemand geboren, die Gesellschaft macht ihn dazu, und oft wird die zugewiesene Rolle schließlich angenommen. Erschreckend wird klar: Auch wer versucht, sich aus allem herauszuhalten, bleibt nicht frei von Schuld.

Die Schüler haben angesichts der aktuellen "Bedrohungen" eine gute Wahl getroffen und treffend zeitlos inszeniert.

Dazu passt das schlichte Bühnenbild, das die "schneeweißen Häuser von Andorra" mit Parolen wie "national und sozialistisch", "Juden raus", "Scheiß Homos" und "Ausländer verpisst euch" beschmiert sind, die sich einfach nicht übertünchen lassen.

Trotz seines schrecklichen Inhalts war dieses Theatererlebnis ein Genuss, der am 7. und 8. Februar ab 19.30 Uhr und am 9. Februar ab 18 Uhr noch einmal möglich ist.

© 2014 Neue Westfälische, Dienstag 04. Februar 2014