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Düstere Bilder aus dem wahren Leben

Created by Volker Knickmeyer am in Kategorie: Laienspiel

Laienspielgruppe des Söderblom-Gymnasiums begeistert bei Premiere des Doku-Dramas

Weiße Masken – hier in der eindrucksvollen Schlussszene – sind von zentraler Bedeutung. Alle Darsteller tragen sie, wenn sie nicht sprechen. Sie sollen die Charaktere unterstreichen.

von Volker Knickmeyer

Espelkamp (WB) Rechtsextreme Auswüchse und einfache sinnlose Gewalttaten sind in Deutschland leider kein Einzelfall. Migranten, Wohnungslose, alternativ Aussehende, Menschen mit Behinderungen, aber auch Leute »wie Du und Ich«, können Gewaltopfer werden.

Und das nicht nur bei einem U-Bahn-Überfall in Großstädten wie München. Von einer besonders brutalen Tat im abgeschiedenen Potzlow im Landkreis Uckermark handelt das Stück »Der Kick« von Andreas Veiel, einem bekannten Dokumentarfilmer. Dem ernsten Thema »Jugendgewalt« hat sich jetzt der Laienspielkurs der Klasse 13 des Söderblom-Gymnsasiums gewidmet, das am Freitagabend Premiere in der Aula hatte. Selbstverständlich waren alle Plätze belegt, denn Eltern, Verwandte, Mitschüler und Sponsoren wollten sehen, aus der mühevollen Vorarbeit geworden ist.

Das Publikum würdigte die schauspielerischen Leistungen und das enorme Engagement aller Beteiligten dann auch mit frenetischem Jubel. Im Stück geht es um die Ermordung eines 16-Jährigen im trostlosesten Teil Deutschlands. Der Mord kam durch seine besondere Grausamkeit und Sinnlosigkeit in die Schlagzeilen. Autor Veiel hat vor Ort fleißig recherchiert. Alles beginnt im Juli 2002. Marinus Schöberl, Marco und Marcel Schönfeld und Sebastian Fink sitzen mit Freunden in Potzlow zusammen und betrinken sich. Es scheint ein normaler Abend zu werden, doch plötzlich verspürt Marco Schönfeld - vielleicht aus Langeweile, Frustration oder durch Alkohol - den Drang, Gewalt auszuüben.

Er gehört der rechtsradikalen Szene an und sucht ein Opfer. In Ermangelung eines solchen wird Kumpel Marinus Schöberl, der 16-jährige sprachbehinderte »Loser« so lange drangsaliert bis er sich selbst als Jude bezeichnet. Nach nicht enden wollenden Misshandlungen wird er schließlich filmreif hingerichtet und anschließend neben einer Güllegrube verscharrt. Die Täter gehen nach Hause und tun, als ob nichts gewesen wäre. Erst vier Monate später wird Marinus Schöberls Leichnam von einem seiner Freunde entdeckt. Die Ermittler kommen schnell auf die drei teils einschlägig vorbestraften ehemaligen Freunde als Täter.

In eindrucksvollen Monologen und Dialogen werden die Hintergründe und das soziografische Profil der Täter und ihres trostlosen Umfeldes beleuchtet. Für den unbeteiligten Zuschauer wird klar: »In diesem Umfeld muss man schon fast zwangsläufig auf die Schiefe Bahn geraten«. Ein Täter wurde als Kind sexuell missbraucht, die Eltern vermitteln keine Liebe und keinen Halt. Sebastian Fink leidet unter der Scheidung der Eltern und dem schwer alkoholkranken Vater. Nur in der Gruppe fühlen sich die armseligen Gestalten stark.

Bühnenbild und Dekoration waren dem Anlass und dem Umfeld entsprechend schlicht gehalten. Schwarz-Weiß dominierte. Die spotartige Beleuchtung verstärkte das ohnehin deprimierende Geschehen. Große Arbeit hatten sich die Schüler mit den selbst hergestellten Masken gemacht. Die dreimonatige Arbeit unter der Leitung von Kunstlehrer Hannes Senf hat sich letzendlich gelohnt. Weiße Masken setzten Akzente an diesem Abend und verstärkten die Charaktere.

Die musikalische Untermalung kam von Daniela Geene am Klavier und Andreas Ferling an den Gitarren. Trotz höchster Qualität waren es aber insgesamt zu viele eingestreute Zwischenmusiken. Weniger wäre mehr gewesen in diesem Fall.

Die Hauptrollen der Brüder Marcel und Marco Schönfeld werden durchgängig von Christian Bergen und Janis Kather gespielt. Die weiteren Rollen des Abends: Carolin Brandt (Mutter Jutta Schönfeld), Florian Obermeier (Vater Schönfeld), Nora Ern (Angela Becker, Freundin), Miriam Siebeking (Mutter des Opfers) und Gerrit Wagner (Mathias Muchow). Man kann schon fast sagen: kein Laienspiel ohne Gesenhues. So wie seine Brüder schon in Vorjahren brillierten, spielte jetzt Johannes Gesenhues den Torsten Muchow.

In den weiteren Rollen spielen Malte Klasing, Valerie Eikmeyer, Florian Behnke, Swantje Stegh, Julia Koch, Viet Khang Tran, Anna-Katharina Winkelmann, Sarah Kopp, Maree Götze, Annemarie Lösking und Katharina Coors.

Espelkamper Zeitung vom 1. Februar 2010