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Publikum verfällt dem »Ossi-Fieber«
»Wenn wir die Mauer jedes Jahr um zehn Zentimeter verschieben, sind wir in 70 Millionen Jahren an der Atlantikküste«, protzt der ostdeutsche Offizier. Zum Glück hat dieser es nicht geschafft, denn ansonsten hätte es das Theaterstück »Die Sonnenallee« nie gegeben.
Urinieren gegen den »antifaschistischen Schutzwall« und Frauen, die wie Gitarren behandelt werden sollten - nach dem Spielen solle man sie wieder zurück an die Wand hängen. Es ging ruppig zu am vergangenen Freitag in der Aula des Söderblom Gymnasiums. Die Laienspieler spielten die Premiere ihres diesjährigen Stückes »Sonnenallee«. Basierend auf dem gleichnamigen Film von Leander Haußmann und dem Roman von Thomas Brussig schaffte es die Gruppe unter Leitung von Andreas Ferling, das ostdeutsche Flair der 1970er Jahre auf die Bühne der Aula zu bringen. Sogar die charakteristische »Berliner Schnauze« brachten einige Schüler über ihre Lippen.
Vor allem die Schauspieler der »typischen Ossi-Familie« Ehrenreich mussten genauer auf ihre Aussprache achten. Mutter (Katja Müller), Vater (Jan Benjamin Lunkenheimer), Sabine (Sinja Filipek) und Micha (Tim Schumacher) Ehrenreich stellten einen der Mittelpunkte des Stückes. Daneben stand Michas Clique, die jugendlichen Draufgänger Mario (Matthias Jockheck), Brötchen (Hagen Schulz), Wuschel (Lukas Radeloff), Kosske (Jan Schmale) und Appel (Sven Sander). Der Meister der Draufgänger war eindeutig Hagen Schulz, der mit seinen Sprüchen und seinem Auftreten so manchen zum Schmunzeln brachte.
Die sechs Jungs unterhielten ihr Publikum zudem mit den besten Tanzeinlagen, die es während Umbauarbeiten auf der Bühne je gegeben hat. Sven Sander tat sich durch sein Temperament und den Spaß am Tanzen besonders hervor. Tränen lachten die Zuschauer, wenn die Luftgitarren rausgeholt wurden, oder eine kleine Baletteinlage zum Besten gegeben wurde.
Trotz der kurzen Szenen, konnten auch andere Schauspieler ihre Talente auf der Bühne zeigen. Tante Lina (Carina Schneiders) kam eigentlich aus dem Westen und schmuggelte alles, was sie nur konnte. »Leider war nie was von Wert«, beklagte sich Herr Ehrenreich nach ihrem Tod. So brachte sie einmal für ihren Neffen Micha eine Unterhose mit. Dafür erntete sie die meisten Lacher des Abends.
Das Leben in der Sonnenallee war ereignisreich und so wurde es von den jungen Schauspielern dargestellt. Auch eine kleine Liebesgeschichte versteckte sich in diesem Stück. Das »hübscheste Mädchen der Sonnenallee« Miriam (Karoline Krietemeier) verdrehte allen Jungs der Clique den Kopf. »Und ich dachte, die im Westen küssen besser«, muss sie feststellen, als sie an Micha gerät und sich seinen Lippen leidenschaftlich hingibt.
Eine Erzählerin (Katharina Kleemann) führte durch das Stück und erleichterte somit das Verständnis der Geschichte. Dadurch wurden Charaktere, wie zum Beispiel Michas Schwester vorgestellt, »die das Prinzip des festen Freundes nicht verstanden« und in regelmäßigen Abständen einen Neuen hatte. In der kommenden Woche werden die Laienspieler zu diesen Terminen erneut mit »Die Sonnenallee« auf der Bühne stehen: Mittwoch, 8. Februar, Freitag, 10. Februar, und Samstag, 11. Februar, jeweils um 19.30 Uhr. Vereinzelt sind Restkarten an der Abendkasse erhältlich.
Espelkamper Zeitung vom 07.02.2012